Wie verhindere ich den Screwup?
Wo und wie finden Agilität und Innovation in grossen, etablierten Unternehmen Platz? Wie gehen wir mit den unterschiedlichen Bedürfnissen um? Wie können wir als Unternehmen schnell und agil reagieren und dennoch stabil und effizient agieren?
Dies sind die Fragen, denen Shiftup nachgeht. In anderen Worten geht es um nichts geringeres als um Business Agilität.
Management 3.0 ist in aller Munde und ein enormer Erfolg. Während wir die eine oder andere Methode einführen und verwenden, ist der Autor Jurgen Appelo schon längst zu neuen Ufern aufgebrochen.
Seine neue Arbeit umfasst das Buch Startup, Scaleup, Screwup, sowie den begleitenden Workshop Shiftup. An eben diesem Workshop durfte ich vor Kurzem teilnehmen.
Hier versuche ich, die grundsätzliche Idee von Shiftup kurz zusammen zu fassen:
Der Business Lifecycle
Als theoretische Grundlage definiert Jurgen seinen Business Lifecycle, den Lebenszyklus eines Geschäftes. Im Gegensatz zu anderen bekannten Modellen wie beispielsweise das 3Ex Modell von Eric Ries, definiert Jurgen mit 10 Stadien eine doch sehr detaillierte Aufteilung.
Jurgen vergleicht das Business mit einem Menschen. Auch dieser durchläuft von einem Säugling bis hin zum Greis unterschiedliche Stadien. Ebenso wie der Mensch in den unterschiedlichen Stadien unterschiedliche Bedürfnisse hat, ist dies auch mit dem Business. In einem jungen Business – oder Start-Up ist es wichtig zu experimentieren, wir wollen schnell und kreativ unterwegs sein. In einem lebendigen Start-Up scheint es gar etwas chaotisch zuzugehen. Sind wir schon an einem breiten Markt etabliert, sind uns Stabilität und Ordnung viel wichtiger. Wir setzen auf Effizienz und Standardisierung.
Ebenso wie der Mensch muss auch ein Business entsprechend seiner aktuellen Situation behandelt werden.
Wir wollen uns beispielsweise nicht mit dem Wachstum beschäftigen, bevor wir überhaupt wissen, ob unsere Idee auch ankommt. Gerade Wachstum nennt Jurgen als ein Stadium, in das sich Start-Ups viel zu schnell stürzen, anstatt zuerst für Stabilität zu sorgen. Umso bereit zu sein, die Kluft hin zu einem breiten Markt zu überwinden.
So wollen wir in frühen Phasen besonders innovativ unterwegs sein, Methoden wie Lean Start Up oder Design Thinking verwenden. Als junges Business setzen wir auf Agilität und sind weiterhin eng mit unseren Kunden unterwegs. Als etabliertes Business wird Compliance immer wichtiger, wir brauchen etwas mehr Stabilität und Kontrolle.
Diese Unterscheidung beschränkt sich nicht einzig auf ein Vorgehensmodell, sondern pflanzt sich fort in die gesamte Organisation unserer Teams inklusive beispielsweise dem Umgang mit Zielen und Metriken. Auf all diesen Ebenen müssen wir dem aktuellen Stadium unseres Business Rechnung tragen.
Bekanntes Dilemma
Mit diesem Dilemma beschäftigen wir uns ja schon seit geraumer Zeit. Von grossen trägen Dampfern ist die Rede, welche von den agilen Schnellboten überholt werden. Etablierte Firmen setzen auf Stabilität und Bürokratie. Startups agieren ohne diesen Ballast und drängen so in manchen Markt.
Die agile Bewegung hat aber auch in den grossen Firmen Einzug gehalten und Berater schicken die trägen Dampfer in die Abspeckkur. Firmen, die sich beispielsweise in Phase 8 befinden, wollen sich also in eine frühere Phase transformieren.
Die neue Idee
Jurgen wirft hierzu ein, dass sich nicht die Firma an sich, sondern deren einzelnen Geschäftsbereiche oder Produkte den Lebenszyklus durchwandern. Und eben diese Produkte müssten mit ihren Teams gemäss ihrem aktuellen Status behandelt werden. Ein neues Produkt muss also auch innerhalb eines Unternehmens den Platz und die Freiheit kriegen, selbständig zu wachsen.
Die Anwendung
Im Bereich der Innovation haben wir diesen Schritt oft schon gemacht. Sogenannte Innovationsprojekte bekommen den nötigen Freiraum, an den bestehenden Strukturen vorbei zu arbeiten und mittels Design Thinking oder Lean Startup Ansätzen zielgerichtet vorzugehen.
Das wir dies erreicht haben ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Aber erst ein kleiner solcher.
Es stellen sich die folgenden Probleme:
- Es wird in den Innovationsprojekten an den Strukturen vorbei gelebt. Es müsste doch viel mehr ein solches Vorgehen innerhalb der Struktur möglich sein.
- Auch wenn der Prozess angepasst ist, sind die Rahmenbedingungen immer noch enorme Bremsklötze. Wie oben erwähnt, sollte nicht nur der Prozess, sondern auch der gesamte Umgang mit den Teams und den Mitarbeitern angemessen sein.
- Sobald die Innovation vorbei ist. Wird dann auch das neue Produkt sofort nach den bestehenden Vorschriften behandelt. Es wird ein Kleinkind sofort wie ein gestandener Erwachsener behandelt. Das Junge Projekt sollte wie ein solches behandelt werden und die Möglichkeit kriegen, selbständig, mittels echter Agilität, zu wachsen und sich zu entwickeln.
Behandle ein Kind nicht wie einen Erwachsenen.Jurgen Appelo
Autor
Die Einordnung
Viele Modelle befassen sich mit neuen Organisationsarten von Unternehmen. Teal-, Responsive– oder Adaptive Organisation stossen allesamt in eine gemeinsame Richtung. Weg von Zentralisierung, hin zu dedizierten selbstverantwortlichen Abteilungen. Hier fügt sich Jurgens Modell einwandfrei ein, da eben jedes separate Handlungsfeld seine eigenes Organisationsmodell definieren kann und soll.